Der theologische Montag am 30.03.2020 – Interreligiöser Dialog in der Bibel

An uns, das Team vom Theologischen Montag, war der Themenwunsch „Interreligiöser Dialog“ herangetragen worden. Dem kommen wir natürlich gerne nach. Allerdings muss der erste theologische Montag in unserer Jahresreihe leider wegen der Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus ausfallen. Als kleinen Ersatz gibt es eine Präsentation mit einer Lektüreaufgabe und vielen Möglichkeiten des Nachlesens, wenn Sie gerne mehr über die faszinierende Welt der antiken „Religiosität“ lernen wollen. Hier gehts los:

Es grüßt Sie herzlich mit den besten Segenswünschen

Nicole Oesterreich

4 Kommentare zu „Der theologische Montag am 30.03.2020 – Interreligiöser Dialog in der Bibel

  1. Liebe Nicole,

    hab vielen Dank für deine Mühen, uns aus der Ferne einen theologisch anspruchsvollen ersten Abend für unsere Gesprächsreihe vorzubereiten. Für mich war die Lektüre sehr spannend. Ich schreibe gern ein paar Fragen und Anmerkungen dazu.

    1. Ich entnehme deiner Präsentation, dass die Entstehung des strengen (exklusiven) Monotheismus, der Juden- und Christentum heute prägt, eine theologische Entwicklung innerhalb des Judentums ist, die mit den Alleinverehrungstendenzen im 8. Jh. v. Chr. beginnt und durch die Josijanischen Reformen (und wohl auch das babylonische Exil?) einen Schub bekommt ohne sich in dieser Zeit breit durchsetzen zu können. In diesen Jahrhunderten entstehen ja – wenn mich das, was aus dem Studium so hängen geblieben ist, nicht täuscht – auch die ersten Bücher der Hebräischen Bibel. Wenn man sie einigermaßen unkritisch und ohne den historischen Hintergrund zu kennen liest, gewinnt man ja schon den Eindruck, dass Alleinverehrung oder gar Monotheismus eigentlich seit der Zeit der Landnahme, wenn nicht gar seit den Erzvätern, die Regel in Israel waren. Nach dem obigen war das ja aber nicht einmal in der Zeit, als diese Bücher entstanden, der Fall. Sehen wir im AT also nur eine ganz spezielle – vielleicht nicht einmal besonders weit verbreitete – Perspektive?

    2. Wenn erst durch die Makkabäer und Hasmonäer das normative Judentum mit seinem exklusiven Monotheismus als wesentlichem Kern durchgesetzt wird, ist das zur Zeit Jesu ja noch eine relativ junge Entwicklung. Ist damit zu rechnen, dass zu Lebzeiten Jesu auch in Israel noch polytheistische Formen (etwa in der Volksfrömmigkeit) präsent waren? Ist das ein Faktor in den innerjüdischen Auseinandersetzungen (ich denke an die Gruppen der Pharisäer, Sadduzäer, Essener, Zeloten etc.)? Ich hatte immer das Bild, dass die Auseinandersetzung zwischen jüdischer Bevölkerung und römischer Besatzung auch ein Konflikt zwischen Mono- und Polytheismus ist – ist das evtl. gar nicht der Fall?

    3. Du hast sehr schön deutlich gemacht, wie fremdartig und anstößig das monotheistische Christentum für die in der antiken Religiosität verankerten Menschen war. Trotzdem ist ja beachtlich, wie schnell und erfolgreich sich das Christentum im ganzen Mittelmeerraum ausbreitet. Auch wenn es vielleicht keine Massenbewegung ist, ist es doch schon nach wenigen Jahrzehnten auch räumlich weit verbreitet. Wie kommt das – gibt es evtl. doch auch in Griechenland, Italien, Ägypten etc. Tendenzen in diese Richtung, an die der Monotheismus anschlussfähig war?

    Nun noch zwei Anmerkungen, die über den engen Kontext der biblischen Texte und Zeitgeschichte hinausgehen.

    a) Man kann – auch in der Geschichte des Christentums – den Eindruck gewinnen, dass der Polytheismus doch vieles enthält zu dem Menschen, selbst wenn sie einer streng monotheistischen Religion angehören, sich hingezogen fühlen. Man könnte diese Tendenz schon im Trinitätsdogma, das ja doch eine sehr anspruchsvolle Konstruktion ist, um Vielheit und Einheit der Gottheit zu beschreiben, schon vermuten – aber da würden sich die Dogmengeschichtler sicher mit mir streiten… Noch deutlicher scheint es mir aber im sich in Spätantike und Frühmittelalter entfaltenden Heiligenkult zu sein. Der Glaube, dass es bestimmte Gestalten gibt, die besonders heilig sind und angebetet werden können (sie selbst und ihre Bilder und Überreste!) und denen die Zuständigkeit für bestimmte Regionen, Situationen, Berufe etc. zugeschrieben wird, scheint mir doch viele Anleihen bei den antiken Polytheismen zu haben. Dennoch: Er war und ist populär – in der Volksfrömmigkeit manchmal vielleicht sogar populärer als die Themen, mit denen sich die „professionellen“ Theologen so beschäftigen…

    b) Die Konfliktlinie, an der die ersten Christen standen und die etwa der Text aus 1Kor 10 beschreibt, ist ja nun die zwischen Mono- und Polytheismus. Interessanterweise scheint es heute ganz anders zu sein: Bei uns ist es doch eher so, dass es die monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam relativ schwer miteinander haben. Tendentiell polytheistisch orientierte Religionen (Hinduismus, Buddhismus, antike nordische und mediterrane Panthea,…) sind in unserer Gesellschaft weit weniger negativ belastet, im Gegenteil wecken sie sogar Interesse und finden Anhänger. Hier müssen wir uns beim kirchengeschichtlichen Abend nochmal anschauen, wie es dazu eigentlich kommt.

    Nochmals vielen Dank, Nicole! Ich bin gespannt, wie dieser digitale Abend aufgenommen und diskutiert wird, und hoffe, dass wir uns beim nächsten Mal (29. Juni, Bethanienkirche) wieder in persona sehen können – falls nicht, lasse ich mir was einfallen… 😉

    Herzliche Grüße
    Konstantin Enge

    1. Lieber Konstantin, danke für die wichtigen Ergänzungen!
      1. Ja, du hast recht, der Eindruck entsteht. Das liegt aber an der Überarbeitung durch z.B. die sogenannten Deuteronomisten, die verschiedene Schriften des Alten Testaments ergänzt und damit in ihrer monotheistischen Perspektive verändert haben.

      2. Polytheistische Vorstellungen waren natürlich weiter verbreitet in der Volksfrömmigkeit. Gerade im 1. Jh. blühte die Angelologie. Die Götter und Zwischenwesen wurden einfach zu „Engeln“ gemacht, die aber auch verehrt wurden. Auch in der Magie, die ebenfalls breit praktiziert wurde, finden wir Spuren davon. Die Konstruktion eines Judentums als Volksgemeinschaft, die gegen die polytheistische Macht kämpfte, ist natürlich in dieser Einfachheit nicht haltbar. Die Wirklichkeit war viel komplexer. Es ging tatsächlich eher um Macht und die Frage, ob es in Ordnung ist andere Götter zu verehren, wie die römische Elite es von einem braven Vasallenkönig gefordert hat.

      3. Es ist, denke ich, ein Irrtum anzunehmen, dass das Christentum immer monotheistisch war, besonders in der Frühphase. Sonst hätte Paulus das nicht an mehreren Stellen sehr deutlich machen müssen. Die rasche Verbreitung hängt mit verschiedenen Faktoren zusammen: einerseits das Heilsversprechen einer Rettung nach dem Tod, die Anschlussfähigkeit durch die Art Vereinsstruktur, gemeinsame Mähler und noch einiges mehr.

      a) Da stimme ich dir uneingeschränkt zu!

      b) Ja, da können wir auch Frau Kunert befragen.

  2. Vielen Dank für die interessanten Informationen und Gedankenanregungen, Nicole und Konstantin!
    Ich könnte mir vorstellen, dass Monotheismus als etwas Exotisches erscheint in einer polytheistischen Gesellschaft, weil er die offensichtliche Widersprüchlichkeit des Lebens nicht so gut erklärt. Polytheismus erinnert mich an die Sprüche Salomos: Alles hat seine Zeit … geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit, …lieben hat seine Zeit, hassen hat seine Zeit; Streit hat seine Zeit, Friede hat seine Zeit. (Prediger 3).
    Ich empfinde diesen Text als besonders und nicht typisch „monotheistisch“, ohne dass ich etwas weiß über seine Entstehungsumstände. Wenn es nur einen Gott gibt, dann streite ich mich mit andern darüber, wie er denn nun genau ist, welche Eigenschaften er hat. Ist er gut? Nur gut? Was heißt denn gut? Gut für das große Ganze kann ja bedeuten, dass es nicht unbedingt für mich angenehm ist. Dann taucht schnell die Frage nach dem Bösen auf: Warum gibt es Krankheiten, wenn es nur einen Gott gibt, der aber gut sein soll angeblich. Straft er uns? Soll das eine Prüfung sein? Oder ist er gar nicht so allmächtig? Hat er einen Gegenspieler? Oder mehrere? Wir mühen uns ab, aber wir verstehen es irgendwie nicht („nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende“ Prediger 3, 11). Das finde ich erstaunlich weise und es erinnert mich an östliche Haltungen wie „Alles gehört zusammen, es gibt keinen Dualismus Gut/Böse, Richtig/Falsch.
    Wenn eine Volksfrömmigkeit einen Glauben an viele Götter praktiziert, können sich die Menschen besser erklären, dass vielleicht auch die Götter miteinander ringen und nicht immer klar ist, welche Kraft gerade führt.
    Herzliche Grüße und hoffentlich beim nächsten Mal wieder „analog“ und live, Katrin

    1. Liebe Katrin, danke für deinen Kommentar! Da sind viele spannende, aber auch schwierige Fragen dabei. Aber ja, die sogenannte Theodizeefrage stellt sich im Polytheismus weit weniger drastisch. Interessante Beobachtung!

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